Bevor ich gleich mit meinem Geburtsbericht beginne, möchte ich dich warnen. Falls du gerade schwanger bist, ein Kind planst oder zart besaitet bist, kommt hier eine Triggerwarnung: Ich schildere hier den Ablauf meiner Geburt, soweit ich mich erinnere. Es könnte eklig und emotional werden.

Erster Teil: Vorher.

Der Entbindungstermin war Montag, der 02.12.2019. Zu diesem Zeitpunkt tat sich aber – rein gar nichts. Ein wenig Vorwehen, ja, aber nichts, was auf dem CTG darauf schließen ließe, dass Peanut sich auf den Weg machen würde.

Ich hatte also am Mittwoch den nächsten Termin. Auch da – nix. In der Nacht zu Donnerstag musste ich plötzlich auf Klo. Ich hatte die Bauchschmerzen meines Lebens, Durchfall – und musste mich gleichzeitig übergeben. Wie gut, dass der Wischeimer noch in greifbarer Nähe stand… Der Herzmann stellte gleich seine Qualitäten unter Beweis, indem er meine Unpässlichkeit einfach verschlief.

Das (fast) letzte Bild.

Wie das gehen konnte – ich habe keine Ahnung. Aber weder Moe, der sonst super sensibel für alles ist, noch mein Mann standen auf – geschweige denn, dass letzterer mich überhaupt hörte. Obwohl ich mich sicherlich angehört habe wie ein waidwundes Reh. Ok, ein kotzendes, waidwundes Reh. Als kleines „Goodie“ erwischte ich leider beim Brechen auch seinen Pulli – selbst schuld, wenn der einfach so im Bad herum liegt. 😉

Ich dachte, es geht los. Alles leer soweit, schacka! Ich lud mir also, nachdem alles draußen war, eine Wehen-Zähler-App herunter. Jupp, alle 15-20 Minuten. Aber es wurde irgendwann weniger… Morgens um 7 Uhr berichtete ich dem Mann, was sich in der Nacht zugetragen hatte. Vorsorglich wurde der Koffer vom Schlafzimmer ein paar Zentimeter weiter in den Flur verfrachtet – nur für den Fall – und ich ging duschen.

Die Wehen klangen aber ab und ich war zwar müde, es tat weh, aber Wehen konnten das nicht sein. Abends war der Spuk wieder vorbei und ich rechnete nicht damit, dass es so schnell wieder losgehen würde – und löschte die Wehen-App.

Am Freitag hatte ich den nächsten Termin beim Frauenarzt. CTG wurde geschrieben, Ultraschall wurde gemacht. Das Fruchtwasser war ok, die Nabelschnur soweit auch. Keine Auffälligkeiten, keine Wehen. Und damit war die Chance, ein Nikolauskind zu bekommen, quasi auch vorbei.

Zweiter Teil: Es geht los!

Am Samstag, den 07.12.2019 war alles anders. Ich wollte und sollte an dem Tag eigentlich einen Termin mit dem Krankenhaus für Sonntag machen, falls Peanut immer noch nicht kommen würde. Aber der Morgen begann ab 5 Uhr mit Wehen. Aua! So fühlt sich das also an!

Ich war mir ziemlich sicher, dass das die Wehen sind. Keine Sekunde habe ich gezweifelt. Und sie wurden regelmäßiger. Doof nur, dass wir für den Tag eine große Holzlieferung bestellt hatten – und ich hatte den Drang, diesen verdammten Holzhaufen noch wegzuräumen!

Um 13 Uhr bekamen wir das Holz für unseren Ofen geliefert. Immer wieder musste ich die Wehen veratmen, aber ich wollte auch nicht, dass der Mann das Holz alleine wegräumen muss.

Nachdem alles verstaut war, brachte der Mann Moe zu meiner Schwester. Ich wusste, das es jetzt langsam an der Zeit wäre, ins Krankenhaus zu fahren. Nach 10 Stunden hatte ich das Gefühl, wir könnten jetzt mal abklären, wie es denn aussieht. Aber zu früh wollte ich auch nicht dort auftauchen…

Angekommen im Krankenhaus, wurde ich erst einmal an das CTG angeschlossen. Für. Eine. Stunde. Der Muttermund war bei, ich glaube, 4 cm… ERST???

Als ich wieder aufstehen durfte, um mir Blut abzunehmen, hatte ich Durst. So, so sehr. Dennis reichte mir die Wasserflasche – und ich konnte es nicht drin behalten. Der Mülleimer im Zimmer musste dran glauben und das war mir echt unangenehm. Ich bekam ein Schmerzmittel ins Bein gespritzt, von dem ich immer noch nicht glaube, dass es mir irgendwie geholfen hätte.

Danach ging es aufs Zimmer. Ich glaube, dort bin ich kurz weggedöst, aber nicht lange. Irgendwann wanderten wir den Klinikflur rauf und runter. Ich begegnete einer anderen Schwangeren, die ganz tapfer ihre Runden allein drehte und sprach sie an.

Ich war beeindruckt von ihrer Stärke, sie ließ sich im Gegensatz zu mir, die ständig irgendwie anhalten und die Wehen veratmen musste, nichts anmerken. Sie sagte mir, dass das ihr drittes Kind sei. Ihr Mann sei noch zu Hause bei den anderen Kindern und sie hatte Übung. Trotzdem: Ich war echt beeindruckt.

Irgendwann hielt ich es nicht mehr aus. Wenn die Schmerzen zu schlimm sein würden, sollten wir uns nochmal melden – das wurde uns so gesagt. Das taten wir nun und wurden in den Kreißsaal gebracht.

Den weiteren Ablauf bis zur vollständigen Muttermund – Öffnung erspare ich euch jetzt – so super spannend war das auch nicht. Ich konnte nicht auf dem Rücken liegen und konnte auf dem Bett knien. Dennis Hand wurde von mir malträtiert und ich von einer wunderbaren, zauberhaften Hebamme mit Globuli gefüttert.

Um 22 Uhr die erlösende Nachricht: Der Muttermund ist 10 cm auf – es kann losgehen! Dennis spekulierte noch mit einer Geburt am selben Tag – also ein Samstagskind. Ich dagegen bestand auf ein letztes Selfie als Noch-Nicht-Eltern.

Da war noch alles gut…

Bis hierhin dachte ich, dass alles gut laufen würde. Bald würde ich den oder die Kleine kennen lernen. Bald hatte ich es geschafft. Ich brauchte keine Einleitung, keine PDA. Ich fühlte mich stark, selbstbestimmt, mutig. Das wurde mir im Folgenden genommen.

Die Schmerzen wurden heftiger. Ich konnte gar nicht mehr denken. Ich musste Dennis‘ Hand quetschen, ins Kissen beißen, von den Globuli bekam ich Durst. Die Hebamme redete zu leise, ich verstand kein Wort mehr. Ich presste. Presste. Presste. Nichts. Stattdessen kam die Ärztin rein. Frau Erdmann, sie müssen jetzt aber ein bisschen mehr pressen! Ja – wie denn? Ich presste doch schon, so sehr ich konnte!

Ich wurde auf den Rücken verfrachtet, obwohl ich solche Schmerzen in der Rückenlage hatte. Ich bekam einmal mehr ein Schmerzmittel. Und: Der Wehentropf wurde angeschlossen.

Die Wehen wurden noch heftiger, ich presste, presste, presste. Nichts passierte. Irgendwann schaltete mein Kopf aus. Alles, was danach kam, erlebe ich mittlerweile in Flashbacks – mein Gehirn hat irgendwann ausgesetzt und Dennis hat mir teilweise geholfen, alles zu rekonstruieren.

Ein weiterer Arzt wurde geholt. Saugglockengeburt, hieß es dann. Aber, sie probierten es – und bekamen Peanut nicht zu fassen. Ich sollte pressen. Ich konnte nicht mehr. Dann bekam ich einen Wehenhemmer, um Kräfte zu sammeln – und dann wieder den Wehentropf. Nochmal wurde die Saugglocke probiert, keine Chance. Ich weiß noch, wie machtlos ich mich fühlte. Ich wollte aufgeben und wusste doch, dass ich jetzt gar kein Mitspracherecht mehr hatte.

Mir wurde ein Zettel gereicht. Ich hörte nur: Kaiserschnitt, jetzt. Unterschreiben Sie hier.

Was ich da eigentlich unterschrieben habe? Ich habe keine Ahnung. Es hätte ein Kaufvertrag für eine Waschmaschine sein können. Oder ein lebenslanges Abo für die Bild. Ich wusste nicht einmal, ob ich meinen Namen richtig geschrieben hatte.

Dann wurde ich umgeparkt und weggeschoben, in den OP Saal. Ich war der festen Überzeugung, ich wäre Fahrstuhl gefahren, aber Dennis sagte mir, dass das definitiv nicht so war – und ich nur einen Raum weiter gekommen wäre.

Er musste im Kreißsaal bleiben und beim Rausschieben sah ich ihm in die Augen. Ich war so verdammt traurig in dem Moment, weil ich es nicht geschafft hatte. Ich hatte versagt. Auf ganzer Linie.

Ich weiß noch, dass gemeckert wurde. Es wurde gemeckert, dass der Anästhesist noch schlafen würde. Es wurde geschimpft, weil alles nicht schnell genug ging – und ich mitten drin.

Der Arzt half mir von dem Bett auf die OP Liege und irgendwie war dann der Anästhesist plötzlich da. Ein netter Kerl mit netter Stimme – und dann war ich auch schon weg. Irgendwann wachte ich wieder auf und wusste gar nicht so richtig, was da eigentlich mit mir passiert war.

Dritter Teil: Wir haben es geschafft.

Dennis erzählte mir später, wir hätten uns noch gesehen. Ich war wohl am Aufwachen und auf dem Weg in Richtung Intensivstation, als wir uns im Flur begegnet wären. Aber er konnte nicht mit – er musste sich um unsere Tochter kümmern. Zu dem Zeitpunkt wusste ich das alles nicht.

Peanut alias Nina Charlotte ist am 08.12. um 1:57 Uhr geholt worden. Ich sah sie erst deutlich später. Die ersten Stunden mit meiner Kleinen fehlen mir. Und daran habe ich bis heute zu knapsen.

Als ich aufwachte, wurde Dennis geholt. Und ich fragte ihn: Mädchen oder Junge? Denn bis zu der Geburt wussten wir es nicht. Wie gut, dass wir uns bereits auf einen Mädchennamen festgelegt hatten.

Das erste gemeinsame Bild.

Die Kleine weinte und weinte. Dennis legte sie auf mich, ich versuchte sie zu beruhigen, obwohl ich selber noch nicht ganz da war. Ich versuchte sie anzulegen, was natürlich auch nicht gelang. Irgendwann gingen die Beiden wieder und ich musste noch warten, bis die Narkose soweit durch und ich stabil war.

Ich wurde in ein Zimmer geschoben, in dem Dennis und Nina auf mich warteten. Die Hebamme gratulierte mir, überreichte mir einen (alkoholfreien) Sekt und ein kleines Heftchen. Darin: Der erste Fußabdruck von Nina. Und die ersten 2 Fotos, eines davon: Nina und ihr Papa.

Das erste Foto

Mich überkam so eine Traurigkeit und gleichzeitig Wut auf mich selbst. Dieser Moment hätte uns Dreien gehören sollen, nein: Müssen! Warum war ich nicht da? Warum habe ich es nicht geschafft? Natürlich war ich dankbar, dass es Peanut gut ging, dass alles dran war. Dennoch fühlte ich mich in dem Moment leer, traurig und hilflos. Dieser Mensch da in dem Bett, das ist dein Kind?

Wir wurden auf unser normales Zimmer gebracht und Dennis verabschiedete sich. Er wollte ein paar Stunden schlafen, immerhin war es schon nach 5 (oder 6?) Uhr und ich war so, so müde. Nina musste allerdings noch einmal weg – ihr wurde noch Fruchtwasser abgesaugt, weil sie nicht aufhörte zu weinen.

Ich lag in einem merkwürdigen Halb-Wach- Halb-Schlaf Zustand im Bett. Konnte mich nicht bewegen und schaute einfach nur meine Tochter an. Meine Tochter. Wie merkwürdig das klang. Ich versuchte, nicht über die Geburt nachzudenken und zu funktionieren.

Allein in ihrem Bettchen

Am Morgen wurde mir die Kleine von einer Schwester in den Arm gelegt. Aufstehen durfte ich noch nicht. Später kam der frisch gebackene Papa. Am späten Nachmittag durfte ich dann endlich aufstehen und meine Kleine selbstständig aus dem Bett holen.

Ich beschloss in dem Moment: Ich lasse mir weder von dem Kaiserschnitt noch von irgendjemandem Steine in den Weg legen. Du willst dich mit einer Löwenmama anlegen? Versuch es nur!

Ich versuchte, zu verstehen, aufzuarbeiten, was ich erlebt hatte, für mich. Und für Nina. Und verdammt: Ich werde keine Zeit damit vergeuden, sie in ihrem Bett neben mir liegen zu lassen.

Und so holte ich Nina in mein Bett. Auch in der Nacht. Die Nachtschwester versuchte mich davon zu überzeugen, dass Nina in ihrem Bett besser aufgehoben wäre – ich könnte so ja gar nicht schlafen – aber das war mir egal. Meine Tochter. Meine Regeln.

Abends konnte ich schon wieder herum laufen.

Ich hatte schon eine Nacht und einen halben Tag ohne sie bei mir verbracht, das war jetzt MEINE Zeit mit Nina.

Seitdem habe ich keine Nacht mehr ohne die Kleine an meiner Seite geschlafen. Ich ertrage es nicht, wenn sie zu weit weg liegt. Ich genieße (fast) jeden Moment. Und irgendwann werde ich die Geburt auch vollständig verarbeitet haben, da bin ich mir sicher. Genauso, wie diese blöde Narbe auch irgendwann hoffentlich verheilt ist.

Warum hat die Saugglocke nicht funktioniert?

Mir wurde später erklärt, dass mein Beckenboden zu fest und Nina zu sehr verkantet war. Ich hätte sie gar nicht normal auf die Welt bringen können und die Saugglocke hat so auch nicht funktioniert. Der Arzt hätte das wissen können, aber…

Über einen Kaiserschnitt, geschweige denn Notkaiserschnitt, habe ich mir vorher überhaupt keine Gedanken gemacht. Eher darüber, dass die Geburt eingeleitet werden müsste, was definitiv nicht der Fall war und das ich es vielleicht ohne PDA nicht aushalte. Am Ende habe ich mir Vorwürfe gemacht, dass es mit PDA vielleicht anders gelaufen wäre. Aber auch das ist wahrscheinlich Quatsch.

Schlimm fand ich im Nachgang, dass mir Menschen sagten, ich solle doch froh sein. Nina geht es gut und alles wäre doch in bester Ordnung. Was sind da die paar verpassten Stunden, der Notkaiserschnitt? Ich soll das vergessen und gut.

Willkommen auf der Welt!

So einfach ist das nicht. Aber ich gebe mir Mühe. Und mit jedem Tag der vergeht, mit jedem Tag, an dem ich die Kleine im Arm halte, wird es besser. Stück für Stück.

Autor

Kaffeesüchtig, Hundemama und Peanut-Mama. Alles andere als spießig, ständig Fernweh-geplagt und mit viel Konfetti im Kopf.

3 Kommentare

  1. Hallo Nicole, ich kann deine Gefühle von Wut über Glücklich bis hin zu versagt zu haben so was von verstehen!!! Mein Kleiner wurde mir gleich nach der Geburt weg genommen und lag eine Woche auf der Intensivstation! Diese Woche war der blanke Horror!!!! Eine Woche in der mir alles gesagt wurde was ich zu lassen und zu tun habe! Keine einzige Nacht zusammen mit dem Kleinen zu verbringen! Lauter Schläuche und Medikamente! Ich kann deine Gefühle also so gut verstehen! Und ich habe nach über 2 Jahren immer noch dran zu knabbern! Auch jetzt kommt gerade bei mir alles wieder hoch! Ich würde dir gerne sagen das es besser wird, aber das wird es nicht! Es wird nur anders….
    Ganz liebe Grüße Vicky

    • Nicole - Miss Wunder Reply

      Liebe Vicky,

      vielen Dank für deinen Kommentar. Es hört sich furchtbar an, was du durchmachen musstest – oh man! Ich hoffe, deinem Kleinen geht es mittlerweile gut und ihr habt den schwierigen Anfang halbwegs verdaut.

      Alles Liebe, Nicole

  2. Pingback: Das Leben in letzter Zeit – Miss Wunder

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